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„Das Gesundheitssystem wird unter Druck geraten“ mit Arzt Bernhard Winter
Der Artikel beleuchtet die historische Entwicklung und aktuelle Herausforderungen des deutschen Krankenversicherungssystems. Winter erläutert, dass die Ursprünge der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im 19. Jahrhundert bei Arbeiterbewegungen und Betrieben liegen, die ihre Mitglieder solidarisch absichern wollten, nachdem Großfamilien durch die Industrialisierung nicht mehr als Sicherungspuffer dienten. Bismarck institutionalisierte diese Entwicklung, indem er die gesetzliche Krankenversicherung einführte und die Arbeiter zur Versicherung verpflichtete.
Ausweitung und Zweiteilung
- Über Jahrzehnte wurden weitere Berufsgruppen in die GKV aufgenommen, zuletzt in den 1980er Jahren die Studenten.
- Wohlhabenderen Personen blieb es freigestellt, sich privat zu versichern – heute sind 90 % gesetzlich, 10 % privat versichert.
- Insbesondere Beamte nutzen die private Versicherung, ein Privileg mit Wurzeln im Kaiserreich.
Getrennte Systeme: GKV vs. PKV
- Privatversicherte wählen das System bei hohem Einkommen, der Großteil der Bevölkerung hat keinen Zugang dazu.
- GKV-Patienten erhalten ihre Leistungen nach Verhandlungen der Kassen mit Ärztevereinigungen.
- Privatversicherte rechnen direkt mit dem Arzt ab.
Zweiklassenmedizin und regionale Folgen
- Der Vorwurf einer Zweiklassenmedizin ist laut Winter berechtigt, da private Versicherer vor allem wohlhabende, gesunde Menschen aufnehmen.
- Ärzte werden durch höhere Vergütung motiviert, Privatpatienten bevorzugt zu behandeln.
- In Städten mit vielen Privatversicherten herrscht hohe Arztdichte; in ärmeren Regionen besteht Ärztemangel.
- Für viele Ärzte geht es weniger um Existenzsicherung als um Überschüsse.
Vorgeschlagene Lösung: Bürgerversicherung
Winter schlägt eine Bürgerversicherung vor, in der alle Bürger in ein einheitliches System eingebunden wären und das Solidarprinzip gestärkt würde. Politisch sieht er allerdings keine Chance für eine solche Reform – insbesondere nicht mit der CDU in der Bundesregierung. Stattdessen befürchtet er weitere Privatisierungstendenzen und höhere Eigenbeteiligungen der Versicherten, da angesichts der Staatsverschuldung Kürzungen drohen.
Winter betont, dass gesellschaftlicher Druck, etwa durch Gewerkschaften, entscheidend für die Zukunft des Gesundheitswesens sein wird.
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