Beitragserhöhung in der PKV: Ihr kompletter Leitfaden zum Handeln
Die Beiträge Ihrer privaten Krankenversicherung steigen? Kein Grund zur Panik. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen Schritt für Schritt Ihre konkreten Handlungsoptionen auf. Erfahren Sie, warum der interne Tarifwechsel die beste Strategie ist, wie Sie durch Anpassung des Selbstbehalts sparen können und wann der Wechsel in den Standard- oder Basistarif sinnvoll ist. Handeln Sie jetzt informiert und sichern Sie sich den optimalen Schutz zu fairen Konditionen, ohne wertvolle Rechte und Rückstellungen zu verlieren.
Die regelmäßige Mitteilung über eine Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung (PKV) ist für viele Versicherte ein Ärgernis. Besonders wenn die Erhöhung deutlich ausfällt, stellt sich schnell die Frage: Was kann ich jetzt tun? Die gute Nachricht ist: Sie sind der Situation nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt eine Reihe von wirksamen Strategien, um auf die höheren Beiträge zu reagieren. Ein überstürzter Entschluss, wie die sofortige Kündigung, ist jedoch fast immer der falsche Weg.
Dieser Artikel dient als Ihr umfassender Leitfaden. Er erklärt detailliert die verschiedenen Handlungsoptionen, bewertet ihre Vor- und Nachteile und gibt Ihnen eine klare strategische Reihenfolge an die Hand, um die für Sie beste Entscheidung zu treffen.
Das Wichtigste zuerst: Das Sonderkündigungsrecht – eine zweischneidige Waffe
Mit jeder Beitragserhöhung gewährt Ihnen der Versicherer ein außerordentliches Kündigungsrecht. Sie können Ihren Vertrag innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Änderungsmitteilung kündigen. Diese Option klingt verlockend, birgt aber erhebliche Risiken und sollte nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden.
Warum eine Kündigung meist die schlechteste Option ist:
- Verlust der Alterungsrückstellungen: Sie verlieren den größten Teil der über Jahre oder Jahrzehnte angesparten Rückstellungen, die Ihre Beiträge im Alter stabilisieren sollen. Bei einem Neuabschluss beginnen Sie wieder bei null. Das ist ein finanzieller Verlust, der mehrere zehntausend Euro betragen kann.
- Neue Gesundheitsprüfung: Ein neuer Versicherer wird eine umfassende Gesundheitsprüfung verlangen. Mit zunehmendem Alter oder neu hinzugekommenen Erkrankungen kann dies zu hohen Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen oder sogar zur Ablehnung des Antrags führen. Der Traum vom günstigeren Tarif kann so schnell platzen.
- Höheres Eintrittsalter: Ihr Beitrag beim neuen Anbieter wird auf Basis Ihres aktuellen, höheren Alters berechnet, was den Tarif von vornherein teurer macht.
Fazit: Nutzen Sie das Sonderkündigungsrecht nicht als erste Reaktion, sondern als Verhandlungsdruckmittel und letzte Option, nachdem alle anderen Strategien geprüft wurden.
Strategie 1: Der interne Tarifwechsel nach § 204 VVG – Ihre stärkste Option
Die mit Abstand beste und effektivste Strategie ist der Wechsel in einen anderen Tarif beim selben Versicherer. Dieses Recht ist Ihnen gesetzlich in § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) garantiert und bietet unschlagbare Vorteile.
Jeder Versicherte hat das Recht, von seinem Versicherer zu verlangen, in einen anderen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung zu wechseln.
Die entscheidenden Vorteile des internen Wechsels:
- Vollständiger Erhalt der Alterungsrückstellungen: Ihre gesamte angesparte Altersvorsorge wird auf den neuen Tarif übertragen.
- Keine neue Gesundheitsprüfung (in der Regel): Solange der neue Tarif keine höheren oder umfassenderen Leistungen als Ihr bisheriger Tarif bietet, darf der Versicherer keine erneute Gesundheitsprüfung verlangen.
- Erhalt der Vertragshistorie: Sie bleiben beim bewährten Vertragspartner.
Wie finden Sie den passenden internen Tarif?
Versicherer sind gesetzlich verpflichtet, Ihnen auf Anfrage Alternativen anzubieten. Fordern Sie aktiv eine Übersicht aller für Sie infrage kommenden Tarife an. Hier gibt es verschiedene Hebel, um den Beitrag zu senken:
A) Wechsel in einen neueren Tarif mit ähnlichen Leistungen
Versicherer bringen regelmäßig neue Tarifgenerationen auf den Markt, die oft moderner kalkuliert und günstiger sind als ältere, für das Neugeschäft geschlossene Tarife. Ein Wechsel kann sich hier lohnen, ohne dass Sie auf wichtige Leistungen verzichten müssen.
B) Anpassung des Selbstbehalts
Eine der wirksamsten Methoden zur Beitragssenkung ist die Wahl eines Tarifs mit einem höheren Selbstbehalt (SB). Sie übernehmen einen größeren Teil der Krankheitskosten pro Jahr selbst, im Gegenzug sinkt Ihr monatlicher Beitrag erheblich.
| Jährlicher Selbstbehalt | Mögliche Beitragsersparnis (p.a.) |
|---|---|
| 300 € | bis zu 400 € |
| 600 € | bis zu 900 € |
| 1.200 € | bis zu 1.800 € |
Beispielhafte Werte, die je nach Tarif und Versicherer variieren.
Wann ist ein höherer Selbstbehalt sinnvoll?
Ein höherer SB lohnt sich vor allem für Versicherte, die selten krank sind und die jährliche Selbstbeteiligung als kalkulierbares finanzielles Risiko tragen können. Bedenken Sie, dass der Arbeitgeberzuschuss sich nicht am Selbstbehalt beteiligt.
C) Gezielter Verzicht auf Leistungen
Analysieren Sie Ihren aktuellen Versicherungsschutz kritisch. Benötigen Sie wirklich immer die Chefarztbehandlung und das Einbettzimmer im Krankenhaus? Oder die volle Erstattung für teuren Zahnersatz? Ein Wechsel in einen Tarif, der auf für Sie verzichtbare Leistungsbausteine verzichtet, kann den Beitrag spürbar senken.
Beispiele für Leistungsanpassungen:
- Krankenhaus: Wechsel von Ein- oder Zweibettzimmer auf Mehrbettzimmer.
- Zahn: Reduzierung des Erstattungssatzes für Zahnersatz von 90% auf 70%.
- Heilpraktiker: Verzicht auf Leistungen für alternative Medizin, wenn Sie diese nicht in Anspruch nehmen.
Wichtig: Ein einmal abgewählter Leistungsbaustein kann später oft nur mit einer erneuten Gesundheitsprüfung wieder hinzugefügt werden. Die Entscheidung sollte also gut überlegt sein.
Strategie 2: Überprüfung von Risikozuschlägen
Viele Versicherte zahlen einen sogenannten Risikozuschlag, weil sie bei Vertragsabschluss eine Vorerkrankung angegeben haben (z.B. eine Allergie, Bluthochdruck oder eine orthopädische Erkrankung). Dieser Zuschlag muss jedoch nicht für immer gelten.
Wenn sich Ihr Gesundheitszustand nachweislich und dauerhaft verbessert hat oder eine Erkrankung vollständig ausgeheilt ist, haben Sie das Recht, eine Überprüfung und Reduzierung oder Streichung des Zuschlags zu verlangen. Dies ist in § 41 VVG geregelt. Fordern Sie Ihren Versicherer aktiv dazu auf und legen Sie aussagekräftige ärztliche Atteste vor. Eine Streichung des Zuschlags führt zu einer direkten und dauerhaften Beitragssenkung.
Strategie 3: Die Sozialtarife – Standard- und Basistarif
Für Versicherte, die die Beiträge in den Normaltarifen nicht mehr tragen können, hat der Gesetzgeber zwei Sozialtarife geschaffen. Sie dienen als letztes Sicherheitsnetz, sind aber oft nicht die beste Wahl.
Der Standardtarif
- Zielgruppe: Nur für langjährig Versicherte, die ihren Vertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen haben.
- Leistungen: Das Leistungsniveau ist vergleichbar mit dem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
- Beitrag: Der Beitrag darf den Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen.
- Bewertung: Der Standardtarif kann eine gute Option sein, da die Alterungsrückstellungen voll zur Beitragssenkung genutzt werden. Der Beitrag liegt oft deutlich unter dem GKV-Höchstsatz.
Der Basistarif
- Zielgruppe: Steht allen Privatversicherten offen, insbesondere denen, die ihren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen haben.
- Leistungen: Das Leistungsniveau ist ebenfalls mit der GKV vergleichbar. Es besteht eine Aufnahmepflicht für die Versicherer.
- Beitrag: Der Beitrag ist ebenfalls auf den GKV-Höchstbeitrag gedeckelt, wird aber oft voll ausgeschöpft. Für Bedürftige kann der Beitrag halbiert werden.
- Bewertung: Der Basistarif gilt als teuer für die gebotenen Leistungen. Da die Alterungsrückstellungen oft nicht ausreichen, um den Beitrag signifikant zu senken, zahlen viele hier mehr als im Standardtarif oder sogar mehr als in einem günstigen Normaltarif. Er sollte nur als Notlösung betrachtet werden.
Strategie 4: Vorausschauend Handeln – Präventive Maßnahmen
Die beste Strategie gegen hohe Beiträge im Alter ist, frühzeitig die richtigen Weichen zu stellen. Auch wenn eine Beitragserhöhung bereits im Raum steht, lohnt der Blick auf präventive Instrumente.
Der Beitragsentlastungstarif: Sparen für das Alter
Viele Versicherer bieten spezielle Beitragsentlastungstarife an. Hierbei handelt es sich um einen zusätzlichen Sparbaustein. Sie zahlen heute einen monatlichen Mehrbeitrag, der vom Versicherer verzinst angelegt wird. Ab einem vereinbarten Alter (z.B. 65 oder 67) wird das angesparte Kapital dann genutzt, um Ihren regulären PKV-Beitrag zu senken.
Vorteile:
- Planbare Entlastung: Sie sorgen aktiv für einen niedrigeren Beitrag im Rentenalter.
- Arbeitgeberbeteiligung: Solange Sie angestellt sind, beteiligt sich Ihr Arbeitgeber zur Hälfte an den Sparbeiträgen.
- Steuerliche Absetzbarkeit: Die Beiträge sind als Vorsorgeaufwendungen steuerlich absetzbar.
Ein solcher Tarif kann auch nach einer Beitragserhöhung noch abgeschlossen werden, ist aber umso effektiver, je früher man damit beginnt.
Strategie 5: Wechsel in die GKV – Nur für wenige eine Option
Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung ist für die meisten Privatversicherten schwierig bis unmöglich. Die Hürden sind hoch:
- Altersgrenze: Ab dem 55. Lebensjahr ist eine Rückkehr so gut wie ausgeschlossen.
- Einkommensgrenze: Angestellte müssen ihr Gehalt dauerhaft unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) senken.
- Selbstständige: Für Selbstständige ist der Weg zurück noch schwerer. Sie müssten ihre Selbstständigkeit aufgeben und eine sozialversicherungspflichtige Anstellung annehmen.
Die Rolle der professionellen Beratung: Makler vs. Berater
Das Tarifangebot der Versicherer ist komplex und für Laien kaum zu durchschauen. Versicherer sind zwar zur Beratung verpflichtet, verfolgen aber naturgemäß auch eigene wirtschaftliche Interessen. Es ist daher dringend zu empfehlen, sich unabhängige Unterstützung zu suchen. Hier gibt es zwei Arten von Experten:
Versicherungsmakler: Ein Makler wird in der Regel vom Versicherer über eine Provision bezahlt. Sein Interesse kann es daher sein, Ihnen einen neuen Vertrag zu vermitteln, da dies die höchste Vergütung verspricht. Bei einem internen Tarifwechsel fällt seine Provision deutlich geringer aus oder entfällt ganz.
Unabhängige Versicherungsberater: Diese Experten arbeiten auf Honorarbasis und sind rechtlich verpflichtet, ausschließlich im Interesse ihrer Mandanten zu handeln. Sie sind nicht an Provisionen gebunden. Sie analysieren Ihre Situation, vergleichen hunderte von Tarifalternativen und finden die für Sie objektiv beste und kostengünstigste Lösung. Die Kosten für eine solche Beratung sind oft eine sehr gute Investition, da die Beitragsersparnis über die Jahre ein Vielfaches beträgt.
Der Notlagentarif: Das letzte Sicherheitsnetz
Wer seine Beiträge über einen längeren Zeitraum nicht zahlt, landet im Notlagentarif. Dieser sollte unter allen Umständen vermieden werden. Die Leistungen sind auf die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen beschränkt. Geplante Operationen oder Vorsorgeuntersuchungen werden nicht übernommen. Der Beitrag ist zwar deutlich geringer, aber der Versicherungsschutz ist minimal. Der Weg aus dem Notlagentarif ist zudem mit der vollständigen Begleichung der Beitragsschulden verbunden.
Fazit: Ihr Aktionsplan bei einer Beitragserhöhung
Eine Beitragserhöhung ist der ideale Anlass, den eigenen Versicherungsschutz zu überprüfen. Gehen Sie systematisch vor, um die beste Lösung für Ihre individuelle Situation zu finden.
- Schritt 1: Ruhe bewahren und Fristen notieren. Handeln Sie nicht überstürzt. Sie haben zwei Monate Zeit, um zu reagieren.
- Schritt 2: Internen Tarifwechsel prüfen. Fordern Sie von Ihrem Versicherer eine Liste aller möglichen Alternativtarife an. Dies ist Ihre stärkste und wichtigste Option.
- Schritt 3: Professionelle Beratung einholen. Ziehen Sie einen unabhängigen Versicherungsberater (gegen Honorar) oder die Verbraucherzentrale hinzu. Diese Experten können die Tarifalternativen objektiv bewerten und helfen Ihnen, die richtige Entscheidung zu treffen.
- Schritt 4: Weitere Optionen abwägen. Prüfen Sie parallel, ob ein Risikozuschlag gestrichen werden kann oder ob im Notfall die Sozialtarife eine Lösung wären.
- Schritt 5: Entscheidung treffen und umsetzen. Teilen Sie Ihrem Versicherer Ihre Entscheidung schriftlich mit. Ein Wechsel des Anbieters sollte die absolute Ausnahme bleiben.